„Das Ruhrgebiet - aufgenommen und abgemischt“
Eine Episodenreihe über Musik, Menschen und Ruhrgebiet
"The Ruhr area - recorded and mixed"
An episode series about music, people and Ruhr area
Von / By Jens Mayer, Jörg Stiepermann und Peter Hesse
- EPISODE 03 -
SCHWERMETALL - GLOBALER EXPORT
HEAVY METAL - GLOBAL EXPORT
Heavy Metal und das Ruhrgebiet - bedarf es da wirklich großer Erklärung? Warum es seit den 80er Jahren eine der Metal-Hochburgen Europas ist, warum Iron Maiden ausgerechnet das Konzert vom 24.11.2003 in der Dortmunder Westfalenhalle auswählten, um es als Live-Dokument zu veröffentlichen, warum auch junge Bands aus Hattingen auch heute noch erfolgreich durch die USA touren können? Opel, Karstadt und Bergbau mögen verschwinden - doch Metal aus dem Ruhrgebiet bleibt Exportschlager!
Rock Hard (Dortmund) und Drakkar Entertainment (Witten)
Es ist noch keine zehn Uhr morgens. In der imposanten Wittener Villa, Sitz von Drakkar Entertainment, wird erst einmal eine Runde Kaffee gereicht. Mit seinem offenen Jeep fährt Bogdan „Boggi“ Kopec vor und begrüßt uns entspannt. Während wir unsere Kameras und weiteres Equipment aufbauen und Kopec Post und E-Mails checkt, trifft auch Rock Hard-Chefredakteur Götz Kühnemund aus Dortmund ein. Seit fast drei Jahrzehnten ist das Magazin Rock Hard das Sprachrohr der Metalszene. Der unabhängige Dortmunder Verlag produziert für die Leser die „Bibel des Metal“. Doch gepredigt wird hier nicht, vielmehr wird auf Augenhöhe mit den Fans kommuniziert. Das mittelständische Unternehmen mit Lizenz-Abnehmern in Italien, Spanien, Frankreich, Griechenland und Brasilien verkauft deutschlandweit rund 40.000 Exemplare pro Monat. Außerdem wird jährlich ein eigenes Festival im Gelsenkirchener Amphitheater veranstaltet. Götz Kühnemund schildert, warum Konzerte in der Zeche Bochum schon Mitte der 80er Jahre zum Pflichtprogramm gehörten.Bogdan Kopec wurde 1951 geboren. Nach absolvierter Lehre als Automechaniker, legte er schon Ende der 60er Jahre den Grundstein für eine Zukunft im Musik-Business. Durch Platten von Motörhead, Van Halen und Accept entdeckte er schließlich den Metal für sich. Seine 1981 gegründete Firma, Kopec Musikverlag wurde 1986 zu Drakkar Promotion. Der Pionier wollte sich mit seinem Verlag in vielfältiger und fairer Weise um seine Bands kümmern, war gleichzeitig für Management, Merchandise und Tour-Booking verantwortlich. Ein Konzept, das heute selbst die Branchenriesen als „360-Grad-Konzept“ für viele Akteure aus dem Entertainment-Bereich umsetzen. Bands wie Kreator, Rage oder Risk waren die ersten im Hause Drakkar, zwei Dekaden später landeten die von Kopec entdeckten Lordi als erste Heavy Metal Band beim Eurovision Song Contest auf dem ersten Platz. Auch die Megaseller Nightwish aus Finnland unterzeichneten ihren ersten großen Vertrag beim Wittener Label. Boggi plaudert vor der Kamera aus dem Nähkästchen und weiß, dass sich zahlreiche Rädchen drehen und ineinander greifen müssen, damit sich der Erfolg einer Band einstellen kann.
Kreator und Japanische Kampfhörspiele (Essen)
Das Wetter hält, Mille bringt auf einem Tablett Säfte und Wasser in seinen Garten. Am Tisch hat es sich Christof bereits bequem gemacht. Thrash-Metal-Legende trifft Grindcore-Spezialist. Man kennt sich, man schätzt sich. Heute wollen wir die beiden Charakterköpfe zusammenbringen. Thema: Lernen aus der Praxis. Kreator blicken auf eine über 25-jährige Bandgeschichte zurück. Für Fans und Liebhaber im In- und Ausland sind die Essener um Mastermind Miland „Mille“ Petrozza die Thrash-Metal-Band schlechthin. In den 80ern erlangten sie, u.a. mit der TV-Dokumentation „Thrash Altenessen“ Kultstatus. Das aktuelle Album, „Hordes Of Chaos“ überzeugte Fans und Kritiker, sogar der Spiegel sprach von einer Produktion, „die man nur als perfekt bezeichnen kann.“ Petrozza schreibt seine Texte in englischer Sprache, bewundert vor unserer Kamera aber die Fähigkeit seines Gesprächspartners Christof Kather, der mit seiner Band Japanische Kampfhörspiele Lyrics auf Deutsch umsetzt. Der kombiniert brachialen, unmenschlichen Grindcore mit Cut-Ups aus gegrunzten Textfragmenten, Collagen und Slogans. Zielscheibe: Die Irrwege der modernen Konsum- und Mediengesellschaft. Mit dem Coveralbum „Deutschland von vorne“ interpretierten sie Texte von Bands wie Die Goldene Zitronen, Trio oder Tocotronic. Schlagzeuger, Texter und Band-Mastermind Kather erklärt in Milles Garten seine Sicht auf die heutige Entwicklung im Metal.
Caliban (Hattingen) und Century Media (Dortmund)
Bilderbuchwetter, Bilderbuchstädtchen - und das im Ruhrgebiet? Noch etwas verschlafen trudeln die Mitglieder von Caliban nacheinander an der Birschel-Mühle ein, die direkt an der Ruhr liegt. Mittlerweile leben sie verstreut, Sänger Andy und Gitarrist Marco sind nach Essen gezogen. Die ersten Schritte als Schülerband wurden aber 1997 in ihrer Heimatstadt Hattingen ausgeübt. Caliban stehen für ursprüngliche, brachiale und vor allem kraftvolle Musik zwischen Hardcore und Metal, eine junge Spielart namens Metalcore. Neben Heaven Shall Burn aus Thüringen gehören sie zur Speerspitze der Szene. Ihr aktuelles Album „Say Hello To Tragedy“ wurde im April 2009 veröffentlicht und landete in den deutschen Media-Control Charts auf Platz 36. Einige Tage nach unserem Treffen macht sich die Band erneut auf große Reise - wieder einmal steht eine ausgiebige US-Tour an. Die Plattenfirma von Caliban liegt nur einen Steinwurf von Hattingen entfernt: Century Media. Das Label wurde 1988 von Robert Kampf in Dortmund als klassisches Independent-Label gegründet, da er nach dem Vorbild britischer Punk- und Grindcore-Bands seine eigene Band Despair ohne Kompromisse selbst vermarkten wollte. Inzwischen gehört Century Media weltweit zu den bekanntesten Plattenfirmen im Metal-Bereich, und wird seit 2005 weltweit vom Majorlabel EMI vertrieben. Niederlassungen und Außenbüros gibt es in den USA, Brasilien und Australien, sowie in fast jedem europäischen Land. Paradise Lost oder Napalm Death aus Großbritannien sind nur zwei bekannte Namen in der Label-Geschichte, die fast 1.300 Veröffentlichungen von über 400 Bands vorzuweisen hat. Jens Prüter, der für die im Dortmunder Hafen ansässige Firma als Head Of A&R arbeitet, gibt vom Firmendach einen sympathischen Einblick in die außergewöhnliche Heavy-Metal-Kultur.
Text: Jens Mayer und Peter Hesse
„Das Ruhrgebiet - aufgenommen und abgemischt“ - Eine Episodenreihe von Jens Mayer, Jörg Stiepermann und Peter Hesse über Musik, Menschen und Ruhrgebiet.
Die nächste Episode, „Hochkultur im Stahlkorsett“ mit Hajo Sommers, der Ruhrtriennale, Karsten Riedel und Iggy Pop demnächst online auf 2010LAB.tv
Mit freundlicher Genehmigung von / By kind permission of www.2010lab.tv
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